Der Verein BI Umweltschutz Niedernhausen.Eppstein e.V. setzt sich als gemeinnütziger Verein für die Einhaltung des Umweltschutzes insbesondere im Taunus und für Strommasten freie Wohngebiete ein.
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Durch unsere Gemeinde und die benachbarten Kommunen verläuft eine Trasse für Höchst-spannungs-Drehstrom-Übertragung (HDÜ). Ein Teil der Mastbeseilung soll zu einer Leitung für Höchstspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) umgerüstet werden, so dass später HDÜ und HGÜ gleichzeitig auf einem Mast im sogenannten „Hybridverfahren“ – weltweit erstmalig – durchgeführt werden. Nach dem BBPlG ist bei dem Neubau von Freileitungstrassen ein Abstand von 400m zur Wohnbebauung einzuhalten. Für Ultranet gilt dies nach dem Gesetz nicht, da es sich um eine existierende Leitung handelt.
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Es ist nicht hinnehmbar, dass bei dem Ultranet-Projekt ohne Einhaltung der Schutzabstände, wie sie in anderen Bundesländern gelten, eine mögliche Gesundheits- und Umweltgefährdung offenbar billigend in Kauf genommen wird, wenn eine nicht erforschte Technik weltweit erstmals und dazu in räumlicher Nähe zur Wohnbebauung zum Einsatz kommen soll. Eine Unbedenklichkeit der geplanten Hybrid-Trassen kann nicht unabhängig vom Abstand der Wohnbebauung zur Leitung oder von der Art der Verlegung gesehen werden und ist wissenschaftlich nicht belegbar, da es derartige Übertragungsmethoden bisher noch gar nicht gibt und da Resultate von Langzeitstudien fehlen. Die Anlieger der Trasse wären somit Testpersonen für das Pilotprojekt.
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Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) sagt auf seiner Homepage zum aktuellen Stromnetzausbau: „Die Grenzwerte der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung (26. BImSchV) schützen vor allen nachgewiesenen gesundheitlichen Risiken statischer und niederfrequenter elektrischer und magnetischer Felder, die von Stromleitungen ausgehen. Es gibt jedoch wissenschaftliche Hinweise auf mögliche gesundheitliche Wirkungen unterhalb der bestehenden Grenzwerte und weitere offene Fragen, die im Forschungsprogramm ‚Strahlenschutz beim Stromnetzausbau‘ geklärt werden müssen.“*) Aus diesem Grund hat das BfS ein 35 Untersuchungen umfassendes Programm ins Leben gerufen, um bestehende wissenschaftliche Unsicherheiten in der Risikobewertung zu verringern und offene Fragen zu beantworten.
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Die Bundesnetzagentur (BNetzA) stellt hierzu fest, dass diese BfS-Untersuchungen für sie nicht relevant seien, da für sie nach dem BBPlG die 26.BImSchV gelte und man deren Richtwerte einhalte. In concreto ist dies für die HGÜ ein einziger Grenzwert (die magnetische Felddichte). Grenzwerte für den kombinierten Hybridbetrieb sowie für Ionenstrahlung existieren überhaupt nicht.
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Eine in der Schweiz durchgeführte Studie, bei der Sterberegister statistisch ausgewertet wurden, zeigt, dass die Sterberate für Alzheimer- und Demenzerkrankte bei Personen mit einer Expositionsdauer von 15 Jahren in bis zu 50m-Entfernung zu einer Hochspannung-Wechselstromleitung doppelt so hoch ist wie bei in 600m Entfernung lebenden Bewohnern. Schon allein diese Aussage ist beängstigend und zeigt die Notwendigkeit zur Einhaltung von ausreichenden Schutzabständen.
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Untersuchungen zu „möglichen“ expositionsbedingten Einflüssen auf das endokrine System, das Immunsystem, das blutbildende System, das Herz-Kreislaufsystem und auf Reproduktion und Entwicklung, usw. existieren nicht und sind dringend notwendig. Das BfS hat hierzu am 11.07.2017 im Rahmen einer Auftaktveranstaltung ein Programm von ca. 35 geplanten Untersuchungen vorgestellt. Wie uns das BfS auf Anfrage mit dem Schreiben vom 25.08.2017 mitteilte, sind für 2018 der Beginn von 9 Programmen aus Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit und Bau (BMUB) vorgesehen. Für weitere fehlt die Finanzierung. Grob geschätzt werden die letzten Programme 2021 beginnen. Die Dauer dieser Studien ist auf 3 bis 5 Jahren angesetzt. Mit Resultaten ist also bis 2024 bis 2026 zu rechnen, bis dahin darf es keine Experimente am lebenden Objekt geben. Es wäre sehr schlimm, wenn Ultranet dann bereits lange in Betrieb ist und Gesundheitsschäden nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Wer würde sich dann keine Vorwürfe machen, wer würde die Verantwortung tragen?
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Wie es in der Einladung zu obiger Auftaktveranstaltung der BfS hieß, „soll das geplante Forschungsprogramm den Stromnetzausbau aus der Perspektive des BfS aktiv begleiten und durch die Verminderung von Unsicherheiten einen wesentlichen Beitrag zur Risikokommunikation vor Ort liefern“. Klingt dies nicht nach einer Alibiveranstaltung mit verspäteten Bemühungen die derzeit fehlenden Untersuchungsresultate endlich zu erhalten? Anstelle von „Verminderung von Verunsicherung“ hätten wir uns gerne eine von unabhängigen Instituten bestätigte Unbedenklichkeit gewünscht und zwar vor Beginn des Trassenumbaus. Stattdessen wird bei der Realisierung der Technologie auf ausreichende und angemessene Schutzabstände verzichtet, die überall in Deutschland zwingend vorgeschrieben sind, nicht nur in Bayern und Thüringen. Wie kann eine verantwortungsvolle Politik in Hessen hier mit den Schutzzielen hinter anderen Bundesländern weit zurückfallen?
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Es gebe wissenschaftliche Fragen und Verdachtsmomente, die zu Sorgen in der Bevölkerung führten, so die jetzige Präsidentin des BfS, Paulini. Gleichzeitig betont Sie, „Das Forschungsprogramm behindere den Ausbau des Stromnetzes in keiner Weise.“ – „Falls da etwas Bedenkliches herauskommt, werden wir das natürlich in die Prozesse einspeisen.“ Wie soll das gehen, wenn längst Fakten geschaffen worden sind? Wenn man das Vertrauen und die Akzeptanz der Bevölkerung haben will, darf man sie nicht mit solchen Feststellungen und Alibiaktionen verhöhnen.
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Das Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) legt fest, dass Trassen, mit Ausnahme von Ultranet, in 400m-Entfernung zu existierender, bewohnter Bebauung zu installieren sind. Wolfram König, seinerzeit Präsident des BfS, stellt hierzu am 27.01.2016 bei dem Fachgespräch „Ausbau Netze“ zum Thema Kinderleukämie fest: „Die Abstandsregelung, die derzeit dann auch über die AVV (Allgm. Verwaltungsvorschrift) festgelegt worden sind, stellen sicher, dass wir uns bei großen Stromtrassen sozusagen in dieser Hintergrundbelastung bewegen.“ Nach Artikel 3 des Grundgesetzes sind vor dem Gesetz alle Bürger gleich, warum gilt diese gesundheitliche Vorschrift des Bundesbedarfsplangesetzes (BBPlG) für hessische Bürger nicht, wenn sie in Bayern und Thüringen Anwendung findet?
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Hochspannung-Gleichstromübertragungen erzeugen ionisierende Wolken und führen zu einer Konzentration elektrisch geladener Partikel aus Ruß, Pollen, Feinststaub und Luftmolekülen, die vom Wind fortgetragen werden. Diese elektrisch geladenen Feinstpartikel stehen im Verdacht krebserregend zu sein. Daten über Ausmaß, Intensität und Aggressivität dieser Erscheinung gibt es bisher laut Aussage des BfS bei einer Informationsveranstaltungen nicht.
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Das konstante Dauerbrummen der Hybrid-Leitung kann zu einer erheblichen Belastung der Anlieger führen. Während Leitungen mit Hochspannungswechselstrom vor allem bei feuchter Witterung brummen, verhält es sich bei Hochspannungsgleichstromanlagen genau andersherum. Es surrt, brummt und brizzelt also vor allem bei trockenem Wetter. Eine Hybridleitung wird also immer brummen. Das Risiko zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist ab einem Dauerschallpegel von 50 Dezibel „signifikant erhöht“, heißt es in einem Bericht des Umweltbundesamtes. Nächtliche Einzelpegel wirkten sich auf die Gesundheit aus. Nicht nur die zu erwartende Geräuschbelästigung, sondern auch alle weiteren bereits angeführten Gefahren würden zwangsläufig bei den unmittelbaren Anliegern in Hessen zu einer Verminderung der Immobilienwerte entlang der Trasse führen. Endlose Klagen auf Entschädigungszahlungen kann auch die hessische Politik nicht wollen.
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Der Mangel an zufriedenstellenden Untersuchungsergebnissen über Auswirkungen dieser neuentwickelten Technik, die im wahrsten Sinne des Wortes als Pilotprojekt über den Köpfen der Anlieger installiert wird, schürt Ängste und erinnert an Fälle, bei denen gering erforschte, neuartige Techniken und Verfahren der Bevölkerung als die größten Errungenschaften der Menschheit angepriesen wurden, jedoch nach deren übereilten und unerforschten Einführung für gesundheitliche Schäden, Wertverlust und enorme Kosten bei deren Beseitigung durch die Allgemeinheit sorgten. An negative Erfahrungen von nicht erkannten oder klein geredeten Gefährdungen der Vergangenheit wie bei Asbest, Contergan, BSE, Atomkraft, Glyphosat, FCKW, Polychlorierte Biphenyle (PCB), Radarbildschirme beim Militär, usw. soll hier nur beispielsweise erinnert werden. Bei Asbestose hat es 50 Jahre von der ersten Anerkennung als Berufskrankheit bis zum Asbestverbot gedauert.
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Wenn wir die Ziele im Entwurf des neuen, hessischen Landesentwicklungsplans richtig verstanden haben, wird auch Hessen in Zukunft Schutzabstände bei Gleichstrom- und Hybridtrassen von 400 m bzw. alternativ Erdverkabelung mit ausreichender Überdeckung einfordern. Warum nicht jetzt ?
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Unsere Forderungen: Gleichbehandlung wie bei anderen HGÜ-Trassen
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400m Abstand zur Wohnbebauung
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sonst Erdverkabelung
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- Die nächsten Schritte
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Einspruch bei der Offenlegung der Bundesfachplanung zur Korridorfestlegung
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Zusammenarbeit mit den Kommunen bei der Forderung nach Alternativen im Einspruchsverfahren der Bundesfachplanung
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Mobilisierung der Politik um auch bei Ultranet 400m Abstand oder Erdverkabelung gesetzlich vorzuschreiben.
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Klage im Planfeststellungsverfahren
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*) http://www.bfs.de/DE/bfs/wissenschaft-forschung/bfs-forschungsprogramm/stromnetzausbau/forschungsprogramm.html
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