Vorbereitungen im Ultranet-Bestandskorridor zwischen Niedernhausen und Oberjosbach

Die Hochspannungstransitleitungen, die durch den Untertaunus verlaufen, stammen ursprünglich aus der Zeit der Weimarer Republik. Die Leitungstrassen wurden und werden trotz inzwischen erschlossener Wohngebiete, wie z.B. in Niedernhausen, fortlaufend nach den Wünschen der Netzbetreiber erweitert, erhöht und leistungsstärker ausgebaut. Für den Ausbau der Vergangenheit fehlt jegliche Planfeststellung oder Umweltverträglichkeitsprüfung.

Nach der Devise, wo schon was ist, kann auch noch mehr hin, soll nun auch die Höchstspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) Ultranet mitten durch Niedernhausen, angeblich auf „Vorhandenen Masten“, geführt werden. Ungeklärte Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen (z.B. ionisierende Corona-Emissionen) werden trotz Warnung des Bundesamtes für Strahlenschutz nicht ernst genommen. Auch die zu erwartenden Geräuschimmissionen der neuen HGÜ-Leitung, welche die zulässigen Werte der Verwaltungsvorschrift TA-Lärm deutlich überschreiten, bereiten den Bürgern große Sorgen und eröffnet die Frage, ob zukünftig in den Wohngebieten ein lebenswertes Umfeld beibehalten werden kann.

Amprion hat kürzlich mitgeteilt, dass zur Überprüfung der Masttragfähigkeit und wegen einer erforderlichen Masterhöhungen um ca. 10 m mitten in den Wohngebieten, Probebohrungen im Januar 2022 auch in Niedernhausen stattfinden sollten – also doch neue Masten. Dabei hat die BNetzA noch gar nicht entschieden, ob Ultranet wegen der Umwelt- und Lärmauswirkungen auf Alternativtrassen um die Wohngebiete herumgeführt werden muss. Stattdessen versucht Amprion Fakten zu schaffen und die schädlichen Auswirkungen einfach durch neue, höhere Masten mitten im Wohngebiet in den Griff zu bekommen.

Die Masterhöhungen sind nach Recherchen der BI Umweltschutz Niedernhausen.Eppstein e.V. notwendig, um zumindest ansatzweise die vorgeschriebenen Strahlungsgrenzwerte bei den durchhängenden Seilen, z.B. über einem vorhandenen Kinderspielplatz, einzuhalten. Wer aber weiß, dass die zulässigen Werte in Deutschland fast um den Faktor 100 höher sind als z.B. in der Schweiz oder in den Niederlanden, den wird das wenig beruhigen. Zudem handelt es sich, laut Auskunft von Amprion, ausgerechnet um den Mast neben den Hochhäusern in Niedernhausen, an denen die neue HGÜ-Leitung Ultranet nach der Erhöhung direkt an den Wohnblocks vorbeiführen wird. Auch mitten im Wohngebiet Schäfersberg soll der bereits heute höchste und ganz Niedernhausen wie ein Turm überragender Mast um weitere 10 m erhöht werden.

Amprion versucht indes auf Nachfrage, die Bürger mit Scheinargumenten zu beruhigen, und führt aus, dass „die veröffentlichten Untersuchungen durchaus auch alternative Leitungsführungen abdecken würden“. Die BI Umweltschutz Niedernhausen.Eppstein e.V. hat die von Amprion genannten Grundstücke geprüft und musste feststellen, dass die aufgelisteten Flurstücke sich tatsächlich auch zwischen Schäfersberg und dem Oberjosbacher Wohngebiet Hartemußweg befinden. Diese Trassenvariante wurde von der Gemeinde Niedernhausen eindeutig abgelehnt.

Für die Korridor-Variante D3, für die dahingegen die Gemeindevertretung Niedernhausen einstimmig
votierte, und die vom Rheingau-Taunus-Kreis sowie vom Land Hessen unterstützt wird, hat Amprion
kein einziges Grundstück bei den geplanten Untersuchungen aufgeführt. Folgerichtig hat die BI allen
Anwohnern empfohlen, die Untersuchungen konsequent abzulehnen und setzt sich weiter für
mastenfreie Wohngebiete ein.

Die BI bemüht sich indes verstärkt um die Aufnahme dieser D3-Variante in die bevorstehende Planfeststellung und wird bei dieser Forderung von den Bundestagspolitikern MdB Willsch, MdB a.D. Rabanus, MdB Lührmann und MdB Müller mit einem offenen Brief an das Bundeswirtschaftsministerium und die Bundesnetzagentur unterstützt. Durch mehrere Vereinsbeitritte zu Ende des Jahres ermutigt, sieht sich die BI Umweltschutz Niedernhausen.Eppstein e.V. in ihrem Handeln bestärkt und bereitet sich auf mögliche juristische Einsprüche im neuen Jahr vor.

Ein Kommentar

  1. Zwischen dem 9. und 10. Ultranet-Forum liegen Welten.

    Im Sep 2021 (9. Forum) war Niedernhausen noch guter Hoffnung, dass die anwesenden Parlamentarier – wie sie es versprochen hatten – sich intensiv und effizient um unsere Belange kümmern: Die Verlegung von Ultranet raus aus unseren Wohngebieten Lenzhahner Weg und Schäfersberg.

    Im Sep 2022 (10. Forum) war zu konstatieren, dass wir deutlich hinter den Status quo vom Sep 2021 gefallen waren und die avisierten Interventionen der Parlamentarier, ob sie stattgefunden haben oder nicht, keinen einzigen Erfolg verzeichnen konnten:
    Die BnetzA hat sich devot dem Antrag der Amprion unterworfen und im Bundesfachplanungs-Entscheid die beantragte Bestandstrasse als einzige Lösung für die Planfeststellung zugelassen. Danach kamen noch einige vom Bundeswirtschaftsminsterium (BMWK) subtil platzierte Änderungen mehrerer energiewirtschaftlicher Gesetze Ende Juli 2022, die sämtliche (!) bis dato geltenden Schutzvorschriften für Menschen kassiert haben, insbesondere Lärmgrenzwerte, die nun das Niveau von Industriegebieten erreichen dürfen: dauerhafter Lärm bis 70 dB(A) sowie die Planungsfreiheit auf exakt eine Bestandstrasse reduziert. Dazu wurde die Öffentlichkeitsbeteiligung weiter eingeschränkt.

    Nach meiner persönlichen Meinung geht sehr vieles auf die direkte Interventionen/Recherche der Sprecherin der AG Klimaschutz , MdB Frau Dr. Ingrid Nestle zurück. Sie hat lokal recherchiert und meines Wissens die entscheidenden Anregungen gegeben, um die einschlägigen Gesetzesänderungen zu unseren Ungunsten auf den Weg zu bringen.

    Der Druck, den das BMWK im Gestzgebungsverfahren auf das Hessische Wirtschaftsministerium ausüben wollte und die Chuzpe, wie das BMWK mit einem höchst komplizierten und damit undurchsichtigen Artikelgesetz den Weg für Ultranet gezielt freigeboxt hat – die Abgeordneten des Bundestages haben überhaupt nicht realisiert, was sie am 27.7.2022 beschließen – hinterlässt erhebliche Zweifel an der Aufrichtigkeit des BMWK, die Belange der Menschen und des Netzausbaus ausgewogen zu bewerten. MdL St. Müller, FDP, hatte es sinngemäß so formuliert: ‚Hier tanzt die Exekutive der Legislative auf der Nase herum.‘

    Was wir in Niedernhausen nun dringend und verbindlich brauchen:
    1. Die Fokussierung auf die Kernbetroffenheiten in unserer Gemeinde (Bürger, Kommune): Gesundheitsrisiken, Planungsfreiheit
    2. Die kontinuierliche kompetente juristische Expertise im laufenden Verfahren
    3. Die Unterstützung durch möglichst viele Bürgerinnen und Bürger
    4. Die Bereitstellung/Generierung/Sammlung von Mitteln für die Klage vor dem BVerwG

    Hans Hilbert

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