Am 3. Juni verfassten wir einen Leserbrief an die VRM, zu deren Zeitungen u.a. der Wiesbadener Kurier, das Wiesbadener Tagblatt und die Idsteiner Zeitung gehört:
Sehr geehrter Herr Kircher
Wie ich Ihnen bereits bei unserem letzten Telefongespräch mitteilte, wurde ich von mehreren Bürgern der Region auf Ihre Berichterstattung vom 23.05. zum Thema Ultranet angesprochen, die einzig und allein die Sicht von Amprion schilderte.
Was helfen uns gute Worte und Versprechungen über Einhaltung von Grenzwerten, wenn verschwiegen wird, mit welchen „Taschenspielertricks“ diese erreicht werden.
Anders als bei der bestehenden Wechselstromübertragung werden HGÜ-Leitungen der geplanten Größe einen kontanten Brummton erzeugen, besonders stark bei schönem Wetter, wenn die Leute bei Kaffee und Kuchen auf der Terrasse sitzen. Die zu erwartenden Lautstärken sind bekannt. Für im Bebauungsplan ausgewiesene „reine Wohngebiete“ können die Grenzwerte der TA-Lärm bei diesen HGÜ-Leitungen speziell nachts nicht oder nur mit genehmigungstechnischen Tricks eingehalten werden. In ihren Antragsunterlagen hat die Vorhabenträgerin deshalb kurzerhand die in Niedernhausen im Bebauungsplan bisher als reine Wohngebiete gekennzeichneten Gebiete zu industriellen Mischgebieten erklärt. Die trickreiche Begründung lautet dabei von Amprion, es gebe ja bereits eine Leitung und dadurch gebe es eine „Gemengelage“, die höhere Schallemissionen zulasse (siehe Anhang).
Bei der HGÜ-Technik treten verschiedene elektrotechnische Phänomene , wie z.B. elektrostatische und magnetische Kraftfelder, Ionisierungseffekte, etc.. auf, deren Auswirkungen auf den Mensch bei der geplanten Transportleistung nicht bekannt sind und noch nicht erforscht wurden. Beim Erörterungstermin für Abschnitt A in Worms im Sommer 2018 z.B. wurde die Vertreterin des Bundesamts für Strahlenschutz von der Bundesnetzagentur gebeten, zum Problem der auftretenden Konzentration von Luftionen Stellung zu nehmen. Hierzu antwortete sie, man habe insgesamt eine schwache Datenlage, man würde gerne hierzu einen Review durchführen (also eine Studie über den Forschungsstand zu diesem Thema; man beachte den Konjunktiv, also gemacht wurde bisher nichts) und letztendlich stellt sie fest, einen Grenzwert für den Ionisierungsgrad gibt es in Deutschland nicht; nachzulesen in dem veröffentlichen Veranstaltungsprotokoll – siehe Anhang. Bei einem derartigen Faktenstand darauf zu schließen, dass keine Beeinträchtigung der Gesundheit eintrete, halten wir für unverantwortlich gegenüber den Anrainer. .
Wenn schon die Fachleute des Bundesamtes für Strahlenschutz unsicher sind und dringenden Forschungsbedarf sehen, woher will Fa. Amprion wissen, dass diese Leitung „ nicht krank macht“, wie der Amprion-Vertreter in Ihrem Artikel feststellt, wenn es bisher noch keine derartigen Leitungen in dicht besiedelten Wohngebieten gegeben hat. Eine der ersten HGÜ-Trassen in England in der Nähe von London wurde wegen der Nähe zur Wohnbebauung als Erdkabel verlegt. Nur Fa. Amprion und die Bundesnetzagentur haben dies schon kategorisch ausgeschlossen, weil es dazu keine gesetzlichen Vorgaben bei Ultranet gebe.
Wenn man eine HGÜ-Transitleitung der vorgesehenen Größe mitten durch das Rhein-Main-Gebiet plant -eine von Deutschland am dichtesten besiedelten Regionen – darf man sich nicht wundern, wenn man dort auf Menschen trifft, die den Schutz ihrer Gesundheit und ihrer Lebensqualität einfordern.
Amprion stellt in den zitierten Statements fest, dass in Zukunft weiterer Leitungsneubau und –ausbau notwendig sei, verschweigt aber, dass dann bei den bestehenden Leitungen mit einer weiteren Vervielfachung der Transportkapazität, Zusatzbeseilung und Mastenerhöhung zu Lasten der Anlieger zu rechnen ist, wenn sich die zukünftige Gleichstromleitung einmal als Bestandstrasse etabliert hat, so wie dies zur Zeit in NRW der Fall ist. Es ist erklärter Wille der hessischen Landesregierung und der Bundesgesetzgebung bestehende Stromleitungen bzw. -trassen verstärkt zu nutzen. Wir brauchen deshalb einen zukunftsträchtigen, ausbaufähigen Trassenverlauf, der Mindestabstände zur bestehenden Bebauung einhält.
Wenn Amprion in Ihrem Bericht den Netzausbau und die Energiewende vorschiebt , um unverantwortliche Trassenverläufe durch Wohngebiete zu rechtfertigen, so sind dies populistische Gauklertricks. Die Bürger gerade in Niedernhausen sind nicht gegen die Energiewende und gegen den Stromnetzausbau, sondern lediglich für verantwortungsvolle Trassenführungen.
Seit 8 Jahren plant die Vorhabenträgerin Amprion nun das Ultranet-Projekt auf einer Bestandstrasse und den Bestandsmasten, hat den Verlauf jedoch bisher in unserer Region um keinen Millimeter verändert hat. Hätte man von Anfang an Rücksicht auf das Schutzgut Mensch genommen und Mindestabstände eingehalten, wie bei anderen derartigen Netzausbauvorhaben, wäre man ein erhebliches Stück weiter.
Für weitere Stellungnahmen stehen wir gerne zur VerfügungMfG
Leserbrief der Bürgerinitiative an die VRM vom 3. Juni 2019
Rainer Wegner
Bürgerinitiative Niedernhausen Eppstein
Am 15. Juni 2019 erschien in der VRM Presse darauf ein Bericht zu diesem Thema.
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